Im Rahmen einer Studie an der Hochschule der Wirtschaft für Management in Mannheim wurden in 2021 insgesamt 16 in Deutschland tätige Business Angels nach Ihrer Einschätzung befragt. Im Fokus geht es um den Impact zu Beginn und während der Pandemie, Lernphasen bzw. Erkenntnisse aus dem ersten und zweiten Lockdown, Finanzierungsverhalten sowie Rollenverständnis und mögliche -veränderungen.
Durch die besonders aktuelle Thematik lagen bis dato noch nicht viele Forschungsergebnisse vor, weshalb ein tatsächlicher Dialog mit den Business Angels für wichtig erachtet wurde. Hier lesen Sie mein Interview. Viel Spaß!
I: Wie haben sich die Akteure auf dem Markt in der Corona-Krise verändert? Sind weniger Startups auf Sie zugekommen?
PW: Also sicherlich kann man sagen, dass die Investoren noch aufmerksamer und vorsichtiger geworden sind, bedingt durch die zunächst eingetretene und z.T. weiter vorherrschende Unsicherheit aber im Wesentlichen fehlende Klarheit, womit im weiteren Verlauf der Krise bzw. den Auswirkungen auf viele Bereiche gerechnet werden muss.
Wenn ich auf den Dealflow schaue, bekommen wir nach wie vor über BAND oder auch über Kollegen der Rotonda Business Angels e.V. weiterhin interessante Pitchdecks von Gründern/Unternehmern.
Sicherlich gibt es einzelne Branchen, in denen zur Zeit eine Neugründung nicht erfolgt, das bekommen wir aber ja garnicht erst mit. Es gibt weiterhin einen regelmäßigen Eingang an Themen, die wir uns bei RBA anschauen und einmal im Monat besprechen.
In vielen Fällen setzen diese Geschäftsmodelle auch auf Elemente des E-Business auf, sprich E-Marketplaces, E-shops, Apps usw., zumindest als wesentlichen Bestandteil in der Vermarktung und Leistungserbringung der Unternehmung. Aber das ist in der Startup-Szene ja bereits ein Trend, der sich bereits vor der Corona-Krise zeigte. Natürlich sind Veranstaltungen rund um das Thema Startups, wo auch viele persönliche Begegnungen zwischen Gründern und Investoren stattfinden, ausgefallen.
I: Wie haben Sie in der Corona-Krise und im ersten Lockdown agiert? Wie haben Sie den Unternehmen in der Zeit weitergeholfen?
PW: Im Rahmen einer Beratungsleistung habe ich mit einem Startup bereits sehr früh (im Februar 2020) die dezentrale Arbeitsorganisation umgesetzt. In diesem Fall war das ein guter Test für das ganze Geschäftsmodell. Das Unternehmen erbringt mit Schwerpunkt Planungsleistungen im Mobilfunk, sprich es werden neue Mobilfunkstationen geplant, bestehende Anlagen umgebaut oder erweitert. Da das Mobilfunknetz zur kritischen Infrastruktur zählt, gab es auch besondere Dokumente, die es erlaubten, mit Personal an die Örtlichkeiten zu fahren um bautechnische Begehungen durchzuführen. Wir haben im Rahmen der Unternehmensentwicklung von Beginn an eine digitale Arbeitsumgebung geschaffen, bei der z.B. das ganze Team sowie auch die wichtigsten Lieferanten über den Slack-Workspace vernetzt sind, sich austauschen können und auch die Verfolgung der Aufträge über digitale Kanban Boards gesteuert wird. Somit waren schon von Beginn an bzw. in der frühen Phase nach Gründung alle wichtigen Rollen und Funktionen zur Wertschöpfung digital unter einem Dach vereint. Das Erstellen der technischen Bauzeichnungen und Dokumente funktioniert auch zu 90% elektronisch (selten ist mal ein Bauamtsbesuch erforderlich). Das unternehmerische Konzept sah es vor, dass die Leistungserbringung unabhängig von Ort und Zeit stattfinden kann. Wir haben somit das Team zusammengeholt und besprochen, dass wir die Gelegenheit nutzen, um zu testen wie weit wir tatsächlich schon sind und was uns ggf. noch an Ungereimtheiten auffällt, wenn wir tatsächlich nur noch dezentral aufgestellt sind, bzw. jeder im Homeoffice. Dieser Test lief dann tatsächlich so gut, dass sogar stellenweise ein Effektivitätsgewinn zu beobachten war.
Auch hat man sofort gemerkt, wie sich der Austausch und die Kommunikation generell innerhalb des digitalen Workspaces verändert hat. Hier gab es diverse Channel um das, was getan wird, thematisch sauberer und übersichtlicher zu differenzieren aber auch einen Spaßchannel, wo die Mitarbeitenden auch einfach rumalbern konnten, wenn ihnen danach ist.
Natürlich konnten auch Meetings und Konferenzen darüber mit Whiteboard Funktion und Aufzeichnung (wenn gewünscht) ideal umgesetzt werden, das sogar unabhängig vom jeweiligen genutzten Device und/oder Betriebssystem. Ein wichtiger Punkt in dieser Krise ist eine enge Führung der Mannschaft, transparente und aufrichtige Kommunikation und ein enger Draht zu den Kunden und Lieferanten. Als Führungskraft aber auch als Verantwortlicher für die laufende Entwicklung ist man besonders beansprucht, da all diese Ebenen unmittelbar in wechselseitiger Abhängigkeit stehen. Viel Unsicherheit und Angst begegnen dir auf all diesen Ebenen. Du selber musst diesen Ebenen mit Zuversicht, maximalem Engagement und Souveränität begegnen. Besser gesagt, du musst diese Eigenschaften an den Tag legen und nicht nur davon sprechen. Da dich die Leute alle laufend beobachten wie du agierst, werden viele dadurch selbst an Zuversicht und Souveränität gewinnen und ihr Engagement steigern.
Meine persönliche Meinung dazu ist: Wenn du in eine Krise rutschst mit deinem Unternehmen, musst du als Leader das Bild in den Köpfen der Leute manifestieren, dass wir das gemeinsam durchstehen, weil wir clever, kreativ und mutig sind – weil wir WIR sind, werden wir das schaffen und keiner bleibt zurück. Nicht zuletzt ist die Gesellschafterstruktur hoch relevant. In diesem Fall hier sind es 3 Beteiligungen am Unternehmen, relativ gleichmäßig aufgeteilt. Die Beteiligten müssen sich in der Philosophie und wesentlichen Prinzipien klar und einig sein, damit ein grundsätzlicher Konsens vorherrscht. Unternehmensphilosophie ist selten von so hoher Relevanz wie in einer unternehmerischen Krise. Deswegen sollte jede Unternehmung in Ihrer Entstehung auch auf einer klaren philosophischen Grundlage stehen und ausformulierte Prinzipien besitzen – denn Krisen kommen immer irgendwann.
Genau an diesem Punkt hatte das Unternehmen, trotz der betrieblichen Performance die meisten Schwierigkeiten, da die Gesellschafterstruktur in diesem Punkt nicht harmonisch war.
Aber auch das hat die Krise klar offenbart. Letztlich ist das aber eine wichtige Erkenntnis, wofür man auch dankbar sein kann, denn es schafft auch hier wieder wichtige Klarheit. Wenn die Leute und besonders die Mitarbeiter im Unternehmen das Gefühl haben, das auf der Gesellschafterebene kein Konsens herrscht, kann damit der hart erkämpfte gemeinsame Spirit innerhalb eines Wimpernschlags zerrüttet werden und das macht wieder ganz andere Baustellen auf.
I: Welche Auswirkungen der Krise sehen Sie auf die Erst- & Folgefinanzierung? Haben Sie mit Investitionen in der Corona-Krise gezögert oder sogar ganz eingestellt?
PW: Im Rahmen der Krise waren Kollegen von mir sowie auch ich weiterhin interessiert an neuen Geschäftsmodellen bzw. unternehmerischen Konzepten von Gründern, jedoch habe ich mich mit neuem bzw. zusätzlichem Engagement komplett zurückgehalten.
Viele andere Kollegen haben sich meiner Beobachtung nach ähnlich oder genauso verhalten.
Die laufenden Beteiligungen erfordern einfach maximale Aufmerksamkeit und Engagement, oft sogar mehr als man stellenweise zu leisten in der Lage ist. Dennoch gibt es natürlich auch Business Angels, welche zum Zeitpunkt der Krise von den Auswirkungen innerhalb ihrer Beteiligungen weniger spüren oder deren Geschäftsmodell sogar Auftrieb gewinnt (z.b. Online individualisierte Torten bestellen).
Gerade für diese Kollegen entstehen in dieser Krise ja auch potentielle Chancen und diese Kollegen sind auch in einem Ökosystem zu Hause, wo in der Krise gute und gewinnbringende Beteiligungen zu erwarten sind.
Zur Erstfinanzierung: Es wird grundsätzlich noch genauer analysiert und das Konzept der Gründer hinterfragt, da die Hürde für den Zuschlag sicher etwas höher ist. Ist es ein „Hell yeah“, dann steht auch der Erstfinanzierung nichts im Weg.
Zur Folgefinanzierung: Hier hat das Unternehmen ja schon einen gewissen Weg hinter sich gebracht, vielleicht eine Roadmap verfolgt. Also hier wird darauf geschaut, wie hat sich das Unternehmen bisher entwickelt, wie hat es in der Krise agiert, welches Potential steckt weiter drin, konnte es die selbst gesteckten Milestones erreichen? Wie hoch ist ggf. die Abweichung und ist sie positiv oder negativ? Welches Potential steckt vor allem nach der Krise darin? Ändert sich durch die Situation auch die Bewertung des Unternehmens für die Folgefinanzierung? Und wenn ja, wird es nach der Krise mehr oder weniger wert sein? Das hängt von einer Vielzahl messbarer Größen ab aber natürlich auch vom Glauben an den Markt und das unternehmerische Geschäftsmodell. Besonders kommt es auf den
Gründer als Person an. Gerade bei Business Angels wird dem Gründer und seiner Persönlichkeit ein sehr hoher Stellenwert beigemessen. Ist der stabil oder kippt der uns um, nachdem wir 500K nachgeschossen haben?
I: Welche Lernphase als Sparringspartner für Unternehmen und allgemein auf dem Markt gibt es zwischen dem ersten Lockdown und dem zweiten Lockdown?
PW: Ich denke grundsätzlich kann man sagen, dass der erste Lockdown genau die Punkte knallhart aufzeigt, an denen dein Unternehmen noch nicht krisenfest ist. Du passt dich an, du entwickelst dich weiter, du veränderst dich. Der zweite Lockdown zeigt dir, wie gut deine Maßnahmen greifen. Das größte Learning oder die größte Entwicklung findet sicherlich in der Persönlichkeit der Gründer und Beteiligten, aber auch der Mitarbeiter statt. Es gibt immer einen Weg. Suche dir Gleichgesinnte, tausche dich offen über Sorgen uns Ängste aus, sowie über den Umgang mit der Situation. Damit hilfst du anderen und auch dir. Sei proaktiv. Akzeptiere, dass du in einer Krise steckst und unternehme was. Halte den Progress aufrecht zu jeder Zeit und halte dich nicht mit Entscheidungen zurück, sondern treffe sie. Beobachte dabei laufend und eng geführt die Ergebnisse und halte entweder den Kurs bei oder passe ihn sofort an. In einer solchen Phase fühlt es sich nicht selten wild und chaotisch an. Es ist eine sogenannte „Storming-Phase“ und damit auch eine grundsätzlich vorherrschende Phase eines jeden Change-Prozesses. Möglichst früh und proaktiv in diesen Prozess einzusteigen und alle mit an Board zu nehmen, sind am Ende die entscheidenden Meter (oder Zentimeter), die du benötigst, um den Turnaround zu schaffen.
I: Welche alternative Rolle können Business Angels während und nach der Corona-Krise für Unternehmen spielen?
PW: In der öffentlichen Wahrnehmung als Engel bezeichnet zu werden, weckt natürlich viele Assoziationen. „Mist, wir haben eine Krise, aber zum Glück haben wir Business Angels an Board.“
Letztlich kochen wir ja alle nur mit Wasser. Es hängt denke ich stark davon ab, was ein Business Angel in seiner bisherigen Karriere selbst aufgebaut, entwickelt und erlebt hat.
Auch ich persönlich profitiere ja davon, dass ich mit Leuten vernetzt bin, die noch 3x mehr Erfahrung haben als ich. Und ich hab selbst früh angefangen und viel durchlebt.
Darüber hinaus ist noch zu unterscheiden, wie stark ein Business Angel neben seiner finanziellen Beteiligung auch mit Expertise im Unternehmen engagiert ist.
Es gibt ja auch Business Angels, die einen rein finanziellen Background haben, vielleicht auch irgendwo als Head of Finance oder ähnliches agieren. In einer solchen Krise ist dieser Business Angel in einer alternativen Rolle als Krisenmanager vielleicht nur bedingt geeignet, würde sich auch sicher unwohl fühlen, aber diese Rolle natürlich zwangsläufig ausfüllen müssen wenn keine andere Person dies übernehmen kann. Der Schutz der Unternehmung und des investierten Kapitals hat bei Business Angels einen deutlich höheren und persönlicheren Stellenwert als bei einer klassischen Bankfinanzierung, soviel steht fest. Viele Business Angel haben aber natürlich auch selbst schon gegründet, sind hingefallen, wieder aufgestanden und haben es nochmal besser gemacht.
Wenn ich davon ausgehe, dass wir jetzt ein junges Unternehmen mit einem jungen Gründer haben, der ein unternehmerisches Konzept hat, welches im Großteil auch meinem bisherigen Weg entspricht und ich dort engagiert bin, dann können die Rollen in dieser Krise oder für diese Zeit der Krise neu definiert werden. Zum Beispiel könnte man vereinbaren, das der Gründer sich auf den Kern, sein Produkt oder den Service kümmert. Meine alternative Rolle ist dann der Schutz der Unternehmung von äußeren Einflüssen sowie die permanente Beobachtung der Situation und vor allem proaktive Handlungsempfehlungen und Entscheidungen auszuarbeiten und je nach Befugnis direkt selbst für das Unternehmen auch umzusetzen. Ich kann aber auch das operative Tagesgeschäft zeitweise übernehmen, wenn der gemeinsame Konsens bestätigt, dass der Gründer besonders in der Unternehmenskommunikation zu Kunden und Lieferanten höchst relevant ist.
Also als Fazit: Ein Business Angel kann jede alternative Rolle einnehmen, die in einer Krise erforderlich ist, anhängig von seinem Skillset.
Die Rollenverteilung sollte sich immer an den tatsächlichen Stärken der einzelnen Akteure ausrichten. In der Krise ist nämlich nur sehr wenig Zeit für lange Einarbeitung.
In den meisten Fällen profitieren junge Unternehmen darüber hinaus in der Zusammenarbeit mit Business Angels besonders von dem Netzwerk auf das natürlich Zugriff ermöglicht und damit weitere Unterstützung geschaffen wird.